TU Dresden RWTH Leibniz Institut

Schule und Studium

Ein Besondere Lernleistung für Schüler:innen im SBF/TRR 280

Seit einigen Jahren besteht in den meisten deutschen Bundesländern die Möglichkeit, eine Besondere Lernleistung (kurz: BLL, BeLL oder BELL) ins Abitur einzubringen. Bei einer Jahresarbeit sollen sich die Schüler selbständig in ein Fachgebiet einarbeiten und eine Fragestellung gemäß wissenschaftlichen Ansprüchen bearbeiten. Die Technische Universität Dresden ist ein langjähriger Partner in diesem Programm und bietet vielfältige Möglichkeiten für die Umsetzung von Besonderen Lernleistungen in der Sekundarstufe Zwei. Im Freistaat Sachsen geht die Arbeit bei einer Einbringung in die Gesamtqualifikation zu 20 Prozent in die Prüfungsergebnisse ein.

Im Gespräch mit den Schülern Björn und Johannes sowie Annabell und Bennett vom Institut für Biologie der TU Dresden

Björn und Johannes zu Gast im Teilprojekt A03

Stefan In unserem Sonderforschungsbereich Transregio 280 forschen wir um das Potenzial von Carbonbeton zu optimieren, und Materialminimierte Strukturen zu finden. Wir arbeiten nicht nur mit Beton, sondern auch mit Pflanzen. Und da könnte man sich ja fragen, wieso man bei der Forschung mit dem Werkstoff Beton mit Pflanzen arbeiten. Das können uns Annabell und Bennett berichten, sie sind Wissenschaftler an der TU Dresden und Mitarbeitende im Sonderforschungsbereich. Warum beschäftigt ihr Euch mit Pflanzen wenn wir doch an der Zukunft des Betons forschen?

Annabell Wir arbeiten im Inspirationsbereich des SFB/Transregios, im Teilprojekt A03. Da geht es vor allem um faserverstärkte Pflanzenorgane. Das Teilprojekt ist in zwei Unterprojekte aufgegliedert. Zum einen geht es um peltate Blätter, also um Blätter, bei denen der Blattstiel auf der Blattunterseite ansetzt und zum anderen um Sproß-Wurzel-Übergänge bei Luftwurzeln. Die Idee ist, dass wir uns in beiden dieser Übergangszone die Faserverläufe genauer anschauen können und aus diesen Faserverläufen eben Inspirationen für die Carbonfasern in Betonbauteilen übertragen können.

Stefan Man schaut sich also an, wie der Baumeister Natur solche Sachen bewerkstelligt hat und kann das dann auf neuartige Konstruktionsprinzipien anwenden. In etwas so, wie damals bei den ersten Flugversuchen, als man sich die Vögel anschaute, um zu verstehen, wie das mit dem Fliegen eigentlich funktioniert. Wir haben uns heute noch zwei Schüler eingeladen, Johannes und Björn aus Radebeul bei Dresden. Hallo Björn und hallo Johannes! Stellt Euch doch mal kurz vor und berichtet, wie ihr mit Annabell und Bennett zusammengekommen seid und vor allem warum.

Björn Mein Name ist Björn und bin Schüler der 11. Klasse am Gymnasium Luisenstift in Radebeul, genauso wie Johannes. Wir kennen uns seit der 5. Klasse und machen gerade unser Abi. Da gibt es an unserer Schule die Möglichkeit, sich mit einer BeLL - einer besonderen Lernleistung - eine Abiturprüfung in der Klasse Zwölf einzusparen. Wir hatten beide ähnliche Themen in den Facharbeiten der 10. Klasse. Das Konzept der BeLL hat uns gut gefallen und wir haben angefangen zu recherchieren, was man dafür alles machen muss, wir können das auch zu zweit oder zu dritt machen. Wir haben dann verschiedene Institute angeschrieben, die sich mit Biologie befassen, weil wir gerne Prüfungen im naturwissenschaftlichen Bereich ersetzen wollten. Wir haben dabei auch bei der TU Dresden angefragt und es kam eben die Rückmeldung von Teilprojekt A03. Sie waren auf uns aufmerksam geworden und wollten wissen, ob wir gern im Teilprojekt A03 des Sonderforschungsbereiches mitmachen wollen.

Stefan Du hast es eine besondere Lernleistung genannt. Vielleicht noch mal kurz erklärt - was kann ich mir darunter vorstellen und in welchen Zeitraum, oder welcher Jahrgangsstufe besteht die Möglichkeit für Schülerinnen und Schüler daran teilzunehmen?

Björn Also eine besondere Lernleistung ist eine kleine wissenschaftliche Arbeit. Für die Facharbeit in Klasse 10 mussten wir ungefähr zehn bis fünfzehn Seiten schreiben. Das ist eigentlich mehr so eine Art Literaturzusammenfassung, welche man vor Schülern und einem Lehrer verteidigen muss. Bei uns ist das durch Corona leider ausgefallen. Eine BeLL ist sowas ähnliches, nur viel ausgeschmückter und man muss alleine locker 20 Seiten schreiben und das dann auch noch verteidigen. Und man bekommt von betreuenden Fach
lehrern, von der Schulleitung und von externen Leuten Fragen zu seiner Arbeit. Das Ziel ist es, nicht nur eine Literaturzusammenfassung zu machen, sondern auch echte wissenschaftliche Erkenntnisse daraus zu ziehen - eine kleine Doktorarbeit könnte man fast sagen.

Stefan Wie kam denn eigentlich das Thema zu Stande? Wurde euch das, was ihr in dieser Woche am Institut bearbeitet habt, von Annabell und Bennett vorgegeben?

Annabell Wir haben uns überlegt, ob wir für die Klassenstufe Versuche oder kleine Projekte in unserem eigenen Projekt haben, die innerhalb dieser Zeit machbar sind. Wir haben für beide etwas Gutes gefunden, sie konnten in dieser einen Woche ihre praktischen Aufgaben am Institut bearbeiten und haben dann die nächsten Monate Zeit, die Daten auszuwerten und den inhaltlichen Teil zu schreiben. Die Sachen, die wir uns rausgesucht haben, sind auch Teil unseres Teilprojektes. Das waren Versuche, die wir später sowieso selber hätten machen wollen.

Stefan Ihr habt ja an zwei unterschiedlichen Sachen gearbeitet, wie sah es denn z. B. bei dir aus Johannes - was waren deine Aufgaben in diesem Zeitraum?

Johannes Ich habe mir den Blatt-Sproßachsen-Übergang bei peltaten Blättern angeschaut, deswegen war ich die meiste Zeit hier im Botanischen Garten. Wir haben uns besondere Blätter rausgesucht und immer drei Blätter genommen in verschiedenen Größen. Dann haben wir auf diese Blätter zurechtgeschnittenen Stoff gelegt und immer Fotos davon gemacht. Das haben wir solange gemacht, bis die Blätter umgeknickt oder die Stoffstücke heruntergefallen sind. Im Nachhinein kann man jetzt anhand der Fotos und Gewichte der Stoffstücke eine Menge an verschiedenen Daten ausrechnen oder ermitteln. Wie sehr kippen die Blätter, wenn man einen Stoffstück mit einem bestimmten Gewicht drauflegt, hängt das mit der Größe zusammen und all diese Sachen.

StefanUnd bei dir, Björn?

Björn Also ich war tatsächlich im Keller unterwegs mit Bennett. Wir haben von Kakteen Abschnitte ausgeschnitten, mit einer Luftwurzel oder mehreren. Diese haben wir durchnummeriert und in eine Maschine eingespannt, die nach und nach immer mehr Zugkraft auf die Wurzelanbindung ausübte. Das ging solange, bis die Probe gerissen ist. Das haben wir mit einigen Proben gemacht und immer genau notiert, wo es gerissen ist. Ob das jetzt direkt die Luftwurzel selbst war oder der Ansatz. Dadurch dass wir das in der Maschine hatten, war es relativ einfach, die entstandenen Daten auch in andere Programme zu übertragen.

SilkeHabt ihr schon einen vorläufigen Titel für eure Arbeit? Wisst ihr das schon, oder könnt ihr da so ungefähr eine Idee haben, wie sie lauten könnte?

Johannes Ich hatte mal einen, hab ich aber im Moment grade vergessen :-)

Björn Einen direkten Arbeitstitel haben wir noch nicht, noch steht BeLL oben drüber. Wir wollen uns dazu nochmal mit Annabell und Bennett zusammensetzen und überlegen, was ein sinnvoller Titel dafür wäre.

Stefan Nach der praktischen Arbeit bei Annabell und Bennet seid ihr mit einem Sack voll Daten nach Hause gegangen und steht jetzt vor der Aufgabe, alle Daten nochmal genau anzuschauen und auszuwerten. Was erhofft ihr Euch für Erkenntnisse?

Björn Na hoffentlich welche, die uns weiter voranbringen. Aber wir hatten gerade Klausurenphase, das war sehr, sehr stressig, Wir sind bisher kaum dazu gekommen, haben uns ab und zu mal Zeit frei machen können, aber jetzt haben wir ein bisschen mehr Zeit. Ich muss mich auch in die Sachen von der Statik reinlesen, zum Beispiel E-Modul oder solche Sachen. Davon hatte ich noch gar keine Ahnung, als wir mit dem Thema anfingen. Johannes hat letztens auch ein paar Stunden Daten in Excel-Tabellen eingetragen um die Sachen auszurechnen, es wird sich dann zeigen, was für Erkenntnisse wir daraus schliessen können.

StefanUnd wie ist das so für euch als Schüler, mal mit echten Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten?

Björn Johannes, du darfst gern auch mal antworten! ;-)

Johannes Es war schon interessant und spannend! Man versucht ja in der Schule schon immer, alles sehr genau zu machen und auch das so wissenschaftlich wie möglich zu gestalten. Aber es gab halt doch schon, vor allem bei der Genauigkeit, noch einen Kontrast zu dem, was wir jetzt hier gemacht haben. Das war eine ganz schöne Herausforderung, das jetzt so hinzubekommen!

Björn Da kann ich nur zustimmen. Mir hat es persönlich sehr viel Spaß gemacht, weil die Erfahrung hat man so ja in der Schule eher nicht. Bei der Facharbeit ist die Hauptarbeit Quellen raussuchen und was zusammenschreiben. Deswegen war es ne sehr coole Erfahrung und hat auf jeden Fall Spaß gemacht

Stefan Wie ist das für euch Wissenschaftler, mit den jungen Schülerinnen und Schülern, die noch keinen großen Einblick in die Thematik haben, zusammenzuarbeiten?

Bennett Na ja, ich muss sagen, da wir schon ein relativ spezielles Teilgebiet der Botanik untersuchen, kommen auch Bachelorstudenten, die ähnlich wenig Ahnung haben von dem, was wir machen. Man sieht dann schon, wie die Leute etwas lernen und mitnehmen und auch den Willen haben, selber etwas zu machen.

Annabell Ich mache das eigentlich immer ganz gerne. Natürlich ist es anstrengend Schüler oder Praktikanten zu betreuen, weil man sehr viel Zeit investieren muss. Aber es lohnt sich wirklich. Es ist schön zu sehen, wie die Schüler anfangen zu verstehen, was man eigentlich macht. Wir haben jetzt eine Woche komplett am Stück zusammen gearbeitet, das macht schon Spaß, gerade wenn man sonst eher über seinem eigenen Thema drüber hängt, ist es schön, dann auch mal jemanden dabei zu haben und sein Wissen weitergeben zu können.

Stefan Manchmal öffnen sich dadurch natürlich auch interessante Perspektiven, wenn andere Personen mit im Projekt arbeiten. Das kann zu neue Idee führen, an die man selbst noch gar nicht gedacht hat. Wie sieht das bei euch aus Björn und Johannes? Spiel ihr mit dem Gedanken später zu studieren und wisst ihr vielleicht schon welche Studienrichtung es werden soll? Wie konnten Euch Annabell und Bennett bei der Studien- und Berufsorientierung unterstützen - war das hilfreich oder eher nicht?

Johannes  Im Moment ist das bei mir noch etwas schwierig, ich bin noch zu unentschlossen und habe einige verschiedene Richtungen im Blick. Ich denke, die Woche hat mich schon wieder ein bisschen mehr in eine naturwissenschaftliche Richtung gebracht. Ich bin da noch sehr unentschlossen, aber es war auf jeden Fall hilfreich.

Björn Ich kann dem nur zustimmen, es hat mir sehr viel Spaß gemacht und mir verdeutlicht, dass ich naturwissenschaftliche Sachen auch viel lieber mag als das Schöngeistige. Und ich habe auch vor, sowas in die Richtung zu studieren, Ingenieurwesen wäre vielleicht eine Möglichkeit. Aber mal schauen, ist ja noch ein bisschen Zeit. Ich kann mir auch vorstellen, das zu machen, was die beiden machen.

Stefan Was passiert denn mit Eurer Arbeit, wenn ihr sie fertiggestellt habt?

Björn Also wenn man Arbeit fertiggestellt hat, wird sie von einem betreuenden Fachlehrer unserer Schule bewertet und zusätzlich noch von einer externen Person. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, müssen wir das noch zusammen verteidigen, auch wieder vor jemand Externem, vor der betreuenden Fachlehrerin und Schulleitung und vielleicht noch anderen Personen. Und im Endeffekt können wir uns dann eine naturwissenschaftliche mündliche Prüfung sparen.

Stefan Wie schätzt ihr eigentlich den Zeitaufwand ein, so eine BeLL zu schreiben?

Björn Björn Also ich vermute, dass der Zeitaufwand, eine BeLL zu schreiben erheblich höher ist, als für eine Prüfung zu lernen, da man etwa 15 bis 20 Seiten oder zu zweit 30 bis 35 Seiten schreiben und dann noch zusätzlich einen Vortrag vorbereiten muss. Vor allem sollte man recht früh anfangen, da das zwölfte Schuljahr echt kurz ist. Wir schreiben gemeinsam und wir müssen markieren, wer was geschrieben hat – das ist wichtig für die spätere Bewertung der Arbeit. Und ich sehe noch einen Vorteil, wenn man das zu zweit macht: man kann sich gegenseitig motivieren und halt noch mal über eine Formulierung drüberlesen. Ich finde, es macht deutlich mehr Spaß zusammen.

Stefan Und das ist schon echt eine klasse Sache. Ich denke das man da auf das Studium und das wissenschaftliche Arbeiten, wie ihr ja selbst schon bestätigt, schon ganz gut vorbereitet wird.
Und als Fazit - wie würdet ihr das für euch persönlich bis hier her zusammenfassen?

Björn Ich würde zusammenfassend sagen, dass es eine sehr gute Erfahrung war, mit richtigen Wissenschaftlern zu arbeiten, was man in der Schule so nicht kennenlernen kann. In der Schule wird man ja quasi auf das Studium vorbereitet, auf dieses sehr wissenschaftliche Arbeiten. Deswegen war es auf jeden Fall eine sehr, sehr schöne Erfahrung, die mir sehr viel Spaß gemacht hat und mich wahrscheinlich auch bei meiner Berufswahl begleitet. Vor allen Dingen auch dieser Bionik-Bereich, dass man sich was von der Natur anschaut, das finde ich sehr interessant.

Johannes Ja bei mir war die Woche an der TU sehr interessant, weil ich von dem ganzen theoretischen Zeug, das ich in der Schule oft machen muss, einfach mal weggehen und ein bisschen mehr praktischer arbeiten konnte. Ich habe viele Methoden kennen gelernt und einen guten Einblick bekommen, wie man beim wissenschaftlichen Arbeiten vorgeht.

Stefan Annabell und Bennett: Björn und Johannes haben für ihre BeLL den praktischen Teil an Eurem Institut für Botanik absolviert, schauen sich nun die Daten nochmal ganz genau an, erstellen Ihre Arbeit und müssen die Ergebnisse dann präsentieren. Was gebt ihr den beiden Schülern jetzt mit auf den Weg?

Bennett Viel, viel Erfolg fürs Abi! Wir hoffen, dass das zumindest die Grundkenntnisse für weiteres wissenschaftliches Arbeiten in der Zukunft gelegt hat und auch weiteres Interesse geweckt hat.

Annabell Ja, ich hoffe auf jeden Fall, dass es den beiden bei uns gefallen hat und dass sie vor allem auch unabhängig davon, ob das jetzt in Zukunft bei der Berufswahl für die beiden eine große Rolle spielen wird, einfach ein bisschen was gelernt haben, ein bisschen Methodiken mitnehmen können, ein bisschen Interesse mitnehmen können und vor allem auch einfach weiterhin Freude am neugierig sein haben und vor allem viel Erfolg.

Stefan Das waren doch wunderbare Schlussworte - danke an Annabell und Bennett. Und lieber Johannes und lieber Björn - Euch beiden wünsche ich maximale Erfolge bei der Bearbeitung der BeLL und natürlich auch für das Abi!

Vielen Dank an Björn Muchow und Johannes Paditz sowie Annabell Rjosk und Bennett Pauls. Das Interview führten Stefan Gröschel und Silke Scheerer am 11.07.2022 im Botanischen Garten der TU Dresden.